Bitte sag etwas zu deinem Background…

Ich arbeite mit Klang. Zwar habe ich mich zwischen dem 18. und 23 Lebensjahr auch mit Malerei beschäftigt, aber meine Sprache ist die Musik. Gerade habe ich eine Arbeitsphase abgeschlossen, die in einer Multispeaker Komposition endete. Dieses „Konzert für 6 Lautsprecher“ thematisiert unter anderem das Gleichgewicht von Worten, Tönen, Geräuschen und field recordings. Es schließt eine Entwicklungsphase für mich ab und da ich mich nicht wiederholen oder repetieren möchte, führe ich es nicht mehr auf, sondern beginne, in neuen Stücken andere Materialzusammenstellungen zu erarbeiten. Ich arbeitete in den letzten Jahren in Zyklen von ungefähr 3-4 Jahren, in denen ich bestimmte Materialanordnungen erforschte und ausarbeitete. In dieser jüngsten Phase habe ich zunächst begonnen, Sprache zu zerlegen und sie in mein Solo Setup zu integrieren. Dann erweiterte ich dieses Verfahren auf das Komponieren für Stücke mit Performer/innen und Lautsprecher.

Was hat dich ursprünglich daran interessiert, Töne, Geräusche, Sprache und field recordings in deine Kompositionen zu integrieren?

Ich hatte schon immer verschiedene Arten von Musik gespielt, irgendwann auch Konzertgitarre und Geige in Frankfurt a.M. studiert und zunächst ganz konventionell mit Tönen gearbeitet, gleichzeitig jedoch abstrakt gemalt. Es gab wenig Angebote an zeitgenössischer Musik damals in Frankfurt a.M. . Ich musste diese Anregungen selbst suchen und begann zufällig, meine Malerei wie eine graphische Partitur zu nutzen und sie auf der Gitarre zu spielen. Den Geigenbogen entdeckte ich als Geräuschinstrument. Ich arbeitete nun mit Tönen und Geräuschen und begann dann hier in Berlin an einer Ästhetik zu arbeiten, die beides gleichberechtigt zulässt. Ich wollte die Töne nicht mehr innerhalb einer Funktionsharmonik hiearchisch anordnen, und den einzelnen Gitarrenton für mich neu entdecken und die Musik einsetzen, ihn von anerzogenen und gewohnten Kontexten und Assoziationen befreien. Geräusche wollte ich nicht dekorativ zu Tönen verwenden, sondern gleichberechtigt dazu. Der erste Schritt in diese Richtung bestand darin, einen einzelnen Ton isoliert in einen Raum zu stellen und seine Konsistenz zu untersuchen. Mich interessierte die sinnliche Komponente eines Tones oder Geräusches.

Warum kannst du jetzt mit einem Gitarrenton arbeiten, obwohl du ihn vorher als traditionsbelastet angesehen hast?

Für mich kommt es auf das „Warum“ an. Ich entwickle meine Musik an der Frage: Was möchte ich gern hören? Was ist noch nicht da? So begann ich, zunächst Stücke in einem Vierspur Recorder zu zerlegen und zu entwickeln, und mit Anderen zu improvisieren, als ich nach Berlin kam. Ich begab mich auch in die damalige Improvisationsszene, die zu der Zeit noch sehr Free-Jazz geprägt war, und in der Töne oft zufällig, und u.a. aus abstrakt-energetischen Gründen gespielt wurden. Dies war jedoch nicht die Herangehensweise, die ich weiter ausarbeitete. Ich begann, einzelne Töne in stille Räume zu setzten, sie von anderen Tönen zu isolieren und zu erforschen.

Wie kamst du zur Improvisation?

Ich habe schon immer improvisiert. Sowohl nach allen möglichen Schemata als auch frei.

An welcher Stelle kam Sprache in dein Komponieren?

Für mich ist Musik existentiell und auch ein Abbild von Realität. Ich denke, dass man zum Teil zunächst unbewußt beginnt, akustische Reize zu verarbeiten, die die Umgebung bietet. Vielleicht wurde die Erforschung von Geräuschen musikalisch dann interessant und aktuell, als es so viele Maschinengeräusche in den Städten gab?
Irgendwann begann ich, inspiriert von einigen meiner Projekte, in denen auch  Sprachaufnahmen und Interviews in den Ton integriert wurden, z.B. in meiner Zusammenarbeit mit Steffi Weismann (Telefon), Sprachfragmente in meine Musik zu integrieren. Über thematische Zusammenhänge hinaus interessierte mich auch der Aspekt, dass gedachte und gehörte Sprache so wie Geräusche und Töne Teil unserer Alltagsrealität sind. Interessant daran ist, dass in der Realität Sprache nicht immer im Zusammenhang steht: so hört man in einer Stadt oft Fragmente anderer Gespräche, die dadurch, dass man sie aus dem Kontext gerissen hört, Assoziationen, Farben und kleine Phantasiegeschichten erzeugen können, die mit der Ausgangsaussage selbst nichts mehr zu tun haben. Eine andere Sprachverwirrung kann mit den eigenen Gedanken passieren, die zuweilen in bestimmten, auch Konzertsituationen „dazwischenreden“, abschweifen. Ich mag es, diesen Aspekt von Realität in meiner Musik zu integrieren, aus dem Zusammenhang gerissene Wort- und Sprachfragmente.

Ist Sprache nicht noch stärker bedeutungstragend als Geräusche?

Das kommt darauf an, wie man sie verwendet und schneidet. Der klangliche Aspekt von Sprache kann in den Vordergrund rücken, wenn die konkrete Aussage der Sprache nicht erzählend sondern eher repetitiv ist, wie dies zum Beispiel   bei Seewetterberichten oder zählenden Computertimmen der Fall ist. Diese Stimmen beinhalten dennoch oft eine quasi-emotionale Intensität, ohne thematisch allzusehr abzulenken. So wurden sie als Klangmaterial für mich sehr interessant.
Es ist auch möglich, Wörter und Sätze in solch kleine Partikel zu zerschneiden, dass eine thematische Einordnung nicht mehr möglich ist, sie also zum Klang und je nach Ausgangssituation der Zuhörenden zur rein zufälligen Assoziationsquelle werden. Viele Leute im Publikum genießen das, manche jedoch finden es provozierend, gesprochene Wörter außerhalb eines konkreten, für sie nachvollziehbaren Kontextes zu hören.

Welche Verbindung gehen Komponieren und Improvisieren in deiner Arbeit ein?

Sie gehen Hand in Hand.

 

Wann kam field recording dazu?

Field recording erinnert mich an  Fotografie. Oft nehme ich ganz ungezielt auf und wähle dann Ausschnitte dieser Aufnahmen für bestimmte Kompositionen. Manche Fieldrecordings, die gezielt in einem besonderen Moment aufgenommen werden, können ohne weitere Bearbeitungen gelungene Zufallskompositionen darstellen, die man sich auf diese Weise nie selbst ausdenken könnte.
In  meiner Komposition „in between“ habe ich zum Beispiel mit verschiedenen field recordings gearbeitet. Mein Stück war Teil einer CD, auf der zwölf Komponisten jeweils ein Stück von 7min beigetragen haben. Dabei durfte man nur das Stück des Vorgängers hören und sollte daran anschließen.
Ich arbeitete in dieser Komposition mit Tönen, Geräuschen und  Fieldrecordings. Ich arbeitete mit diesen Materialien collagiert, schob in diesem Stück auch verschiedene Orte  und Menschen „ineinander“, die sich real in verschiedenen Ländern befinden, in meiner Erinnerung jedoch sehr nahe beieinander lagen.
Innerhalb meiner musikalischen Arbeiten benutze ich nur Fieldrecordings, zu denen ich einen konkreten Bezug habe, die eine eigene Geschichte erzählen. Ich denke oft polyphon. In dieser Komposition wurden Fieldrecordings, Sprachaufnahmen und abstrakt-musikalische Materialien, die ich manuell einspielte, als musikalische Material gleichberechtigt ineinander verwoben.

Bitte erzähle etwas über deinen sound file…

Zwei Berliner Musiker haben im letzten Winter während der Anti-Wallstreet-Demonstration die Aufführung eines James Tenney-Stücks organisiert. Ich war dort am 12.November . Es kamen eher wenige Musiker und Demonstranten zusammen. Ich nahm eine Stunde auf, wobei ich keine feste Position einnahm, sondern zum Teil einzelne Instrumente, das Ensemble, oder auch die Demonstrant/innen in den Vordergrund der Aufnahme setzte.
Im Studio fand ich einen Ausschnitt von 3:59’’, der sehr schön und vielfältig war, und bearbeitete lediglich an einigen Stellen den Wind, der trotz Windschschutz auf der Aufnahme teilweise störend war- es war ziemlich stürmisch an diesem Tag.

 


Interviewer: Sonja Heyer, born 1965, Germany. She graduated as Musician from the Academy of Music Dresden and as Sociologist and Social Anthropologist from Freie Universität Berlin. Since then, she works as a musician and artist in Berlin and Mecklenburg. At the moment, she is student of “Sound Studies” at the Universität der Künste Berlin. All works and collaborations at www.sonjaheyer.de